Think Tank #7: HNO Notfälle und der steinige Weg von der fremdbestimmten Hilfskraft zur selbständigen Berufsgruppe

Der medizinische Input beim vergangenen Think Tank kam von Dr. Wolfgang Schneidinger (Barmherzige Schwestern Linz) zu HNO-Notfällen. Er hat Hintergründe zu durchaus häufigen Notfällen dargelegt, von Problemen mit Kanülen bis hin zur Tamponade bei Epistaxis.
Für rege Diskussionen hat der Input von Dr. Berndt Schreiner, Notarzt und Chefarzt des RK Niederösterreich gesorgt, der die Entwicklung der SanitäterInnen „von der fremdbestimmten Hilfskraft zur eigenständigen Berufsgruppe“ beleuchtete.

HNO Notfälle

Dr. Wolfgang Schneidinger, Facharzt für HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie, Oberarzt am Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Linz, Konsiliararzt im UKH Linz

„Die HNO ist hirnlos“, meint Dr. Schneidinger eingangs schmunzelnd auf das Gebiet des eigenen Fachs bezogen, umfasst sie doch von der Schädelbasis, über das äußere, mittlere und innere Ohr inkl. Gehörgang, die innere und äußere Nase inkl. Nebenhöhlen, die Mundhöhle, den Pharynx einschließlich inkl. Tonsillen, den Larynx, die Halsabschnitte von Trachea und Ösophagus, das Lymphabflussgebiet des Kopfes und Halses, die Speicheldrüsen, die Schilddrüse, den Nervus facialis, die Hirnnerven im Kopf- und Halsbereich sowie Weichteile des Gesichtsschädels und Halses. Chirurgische Eingriffe sind deshalb oft sehr komplex, wie einige seiner Bilder eindrucksvoll zeigen.

Zu akuten Notfällen, die in dem Bereich auftreten, zählen z.B.

  • Blutungen – etwa aus dem Ohr, Epistaxis, nach Mandel-Operationen oder aufgrund von Tumorbildungen. Die gezeigten Tamponaden sind laut Fachmann zwar äußerst unangenehm für den Patienten aber sehr sicher in der Anwendung. Für den Rettungsdienst sind sie nicht freigegeben.

  • Atemnot – verursacht beispiels weise durch Epiglottitis oder Pseudokrupp, Kehlkopftrauma oder Bolusgeschehen
  • Probleme mit Kanülen – Tipp des Fachmanns: „Kanülenpatienten nähert man sich immer von der Seite!“ Es können hier nämlich wahre Geschosse entstehen. Hier empfielt sich auch das Absaugen mit zwei Kathetern. Abgesaugt sollten nicht nur die Kanüle sondern auch Mund und Nase.

  • Verletzungen – z.B. der Ohrmuschel oder ein Nasenbeinbruch, Orbitalbodenfraktur oder ein Zungenbiss. Ohrmuscheln anzunähen lohnt sich immer.
  • Fremdkörper im Hals oder in den Ohren
  • Schwellungen oder Entzündungen
  • Dysphagie
  • plötzlich auftrende Schwerhörigkeit – etwa aufgrund eines Hörsturzes, Knall- oder Explosionstraumas oder das Barotrauma. Ein Hörsturz ist laut Experte kein Notfall sondern ein „Eilfall“, der sich in 80% der Fälle spontan zurückbildet.
  • Schwindel – ein sehr häufiges Symptom, wo in erster Linie auf Zusammenhänge wie Hörverschlechterung, Tinnitus, Übelkeit, Erbrechen, zeitliche Abfolge oder Drehschwindel einzugehen ist, bzw. Nystagmus, was auf ein neurologisches Problem hindeuten würde.

Gerade bei der sehr häufig auftretenden Epistaxis zeigt Dr. Schnedinger in Videos eindrücklich, wie rasch und einfach betroffene Blutungen im Krankenhaus verödet werden und das oft lange anhaltende Leiden beenden können. Auch die Koniotomie wurde diskutiert, wo neben perfekten anatomischen Kenntnissen das richtige Equipment zum Durchdringen des Gewebes (Quick-Trach Set oder Skalpell) essentiell sind. „Mit einem Kugelschreiber alleine kommt man nicht durch. Dazu gibt es Studien,“ so Schneidinger (vgl. Huber, 2016, Anm.)

Bezogen auf die präklinischen Möglichkeiten bei der Behandlung vieler der benannten Notfälle bezieht sich Dr. Schneidinger auf das alte Sprichwort: „Die wichtigste Flüssigkeit im Rettungsfahrzeug ist manchmal einfach der Diesel.“

Von der fremdbestimmten Hilfskraft zur selbständigen Berufsgruppe

Dr. Berndt Schreiner, Notarzt, Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin und Notarzt im Donauspital, ERC- und PHTLS-Instructor, Chefarzt des Niederösterreichischen Roten Kreuzes

Das Berufsbild des Sanitäters war Thema eines interaktiven, humorvollen und spritzigen Inputs des neuen Chefarztes vom RK Niederösterreich und langjährigen Wegbegleiter. Dabei ging es um die großen Veränderungen im Rettungsdienst in den letzten 20 Jahren mit dem SanG 2002, die verbesserte Fahrzeugausstattung und Ausbildung, die vermeintlich aussterbende Gattung der Notärzte, die höchste Qualifikation der NFS im Rettungsfahrzeug hinter dem Lenkrad anstatt im Patientenraum und die Aufwertung der Zusammen- und Teamarbeit.

Mit Umfragen baute Dr. Schreiner auch immer wieder die Meinungen und das Stimmungsbild der Anwesenden mit ein. So etwa zur Frage, wie sie die Qualität im Rettungsdienst einschätzen.

Dass das Ergebnis nur zwischen „befriedigend“ und „genügend“ liegt, findet Dr. Schreiner erschütternd. „Ihr seid der Rettungsdienst. Bewertet ihr eure eigene Arbeit so schlecht?“ stellt er provokant in den Raum.

In seinem Input griff er den vielzitierten Unterschied zwischen der Entwicklung in Deutschland und Österreich auf. Die Differenz bei den Stunden in der Ausbildung zwischen österreichischen (720 Std.) und deutschen (2680 Std.) Notfallsanitätern lässt er so nicht gelten. Denn erstens sei die Ausbildungszeit mit den nachzuweisenden Praxisstunden zwischen den Ausbildungen deutlich länger und schaut man sich den Lehrplan der Notfallsanitäter z.B. in Bayern genauer an, findet man viele Inhalte, die bei uns in der Schule oder anderen Ausbildungen abgedeckt sind, wie etwa sozial- und geisteswissenschaftliche Grundlagen, Berufs- und Staatskunde, Deutsch und Englisch. „Wir gehen davon aus, dass jemand, der im Rettungsdienst ist, schon überdurchschnittlich intelligent ist,“ meint er augenzwinkernd.

Wo uns Deutschland in der Ausbildung aber wirklich einen großen Sprung voraus ist, sind die Krankenhauspraktika. Für Sanitäter fehlen hier Möglichkeiten. „Das Problem, das wir mit der Präklinik haben: es interessiert keinen“, bringt es Schreiner auf den Punkt.

Ideen zur Verbesserung des Rettungsdienstes gabe es unter den Anwesenden zuhauf (je öfter ein Begriff genannt wurde, desto größer erscheint er in der Abbildung).

Auch zu der Frage, was ein Sanitäter wirklich können sollte, hatten die Anwesenden viele Inputs.

Viele dieser Inhalte sind in der Ausbildung oder entsprechenden Fortbildung enthalten, wobei die jeweilige Qualität natürlich sehr stark von den individuellen Voraussetzungen abhängt. „Die fachliche Bruchlinie verläuft nicht zwischen hauptamtlich und ehrenamtlich“, ist Dr. Schreiner sicher. Denn es gibt hochmotivierte freiwliige Mitarbeiter, die fachlich vielen Beruflichen voraus sind.

Mit der Analyse von Dr. Schreiner, dass sich viele Sanitäter die endotracheale Intubation wünschen, dass sie Ketanest und Dormicum geben dürfen, einen Entlastungspneumothorax durchführen oder einfach nur Hubschrauber fliegen dürfen, waren die anwesenden Sanitäter nicht einverstanden.

Viele dieser Inhalte sind in der Ausbildung oder entsprechenden Fortbildung enthalten, wobei die jeweilige Qualität natürlich sehr stark von den individuellen Voraussetzungen abhängt. „Die fachliche Bruchlinie verläuft nicht zwischen hauptamtlich und ehrenamtlich“, ist Dr. Schreiner sicher. Denn es gibt hochmotivierte freiwliige Mitarbeiter, die fachlich vielen Beruflichen voraus sind.

Mit der Analyse von Dr. Schreiner, dass sich viele Sanitäter die endotracheale Intubation wünschen, dass sie Ketanest und Dormicum geben dürfen, einen Entlastungspneumothorax durchführen oder einfach nur Hubschrauber fliegen dürfen, waren die anwesenden Sanitäter nicht einverstanden.